Erforschen, was die Welt zusammenhält
27. Januar 2017
Nein, über einen Mangel an Arbeit kann sich Klaus Boehnke nicht beschweren. Globalisierung, Flüchtlingskrise, Rechtspopulismus, Nationalismus – die Gesellschaften sind in Bewegung geraten, der Zusammenhalt bricht auf. Jeder denkt nur noch an sich. Oder doch nicht?
Veränderungen im Zusammenleben festzustellen, gesellschaftliche Trends zu erfassen und aus ihnen Schlussfolgerungen zu ziehen, ist Teil des Arbeitsbereiches des Professors für Sozialwissenschaftliche Methodenlehre an der Jacobs University in Bremen. Boehnke misst, was ist.
Wie man Daten erfasst, sie auswertet und aufbereitet, das ist sein Spezialgebiet. Dabei geht es nicht um Bits und Bites, sondern um Stimmungen, Strömungen, Meinungen, Befindlichkeiten in der Bevölkerung. Boehnke erfasst sie meist durch Befragungen mithilfe von Fragebögen. Wie diese nach wissenschaftlichen Kriterien aufzubauen sind, bringt er seinen Studierenden ebenso bei wie das Führen von Interviews zum Zweck der Forschung.
So hat es unter seiner Federführung jüngst eine Repräsentativbefragung von 2600 Bremerinnen und Bremern zum Zusammenhalt in der Stadt gegeben, beauftragt von der Bertelsmann Stiftung und gesponsert von der Arbeitsgemeinschaft der Bremer Wohnungswirtschaft, agWohnen Bremen Bremerhaven. Um das Miteinander an der Weser ist es gut bestellt, trotz unterschiedlicher Lebensverhältnisse in den Stadtteilen. Eine andere Frage ist, wie es um den Zusammenhalt in der Welt insgesamt aussieht. Boehnke neigt auch da eher zu Gelassenheit, trotz Abschottungstendenzen, wie sie etwa in Großbritannien oder in den USA zu beobachten sind. Er sei kein „Alarmist“, sagt er. „Gesellschaften sind diverser geworden, diese Erscheinungen gehören dazu.“
Der 65-Jährige wirkt für eine Institution, die für das genaue Gegenteil steht: für Weltoffenheit, für kulturelles Miteinander, für Gleichberechtigung der Kulturen. Boehnke ist Prodekan der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS), einer Gemeinschaftseinrichtung der Jacobs University und der Universität Bremen. Knapp 80 Studierende aus 35-Nationen erhalten an dieser englischsprachigen Graduiertenschule ihre Doktorandenausbildung in den Kerndisziplinen Politikwissenschaften, Soziologie und Psychologie.
Die BIGSSS ist etwas Besonderes, nicht nur wegen ihrer Internationalität. Die Doktoranden absolvieren wie beim Bachelor oder Master ein Studium mit verschiedenen Lehrveranstaltungen auf denen sie sich über die Fachgrenzen hinweg austauschen können. Sie sind keine Einzelkämpfer mehr, sind nicht länger abhängig von nur einem Professor und dessen Themenschwerpunkt. Stattdessen werden sie von einem Gremium aus drei bis fünf Hochschullehrern betreut. Eines der Mitglieder stammt von einer anderen Universität und hat meist auch einen anderen fachlichen Hintergrund, das kann ein Volkswirt sein, ein Mathematiker oder auch ein Computerwissenschaftler. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei uns an der Tagesordnung“, sagt Boehnke.
Die Konzepte der Internationalität und der Transdisziplinarität waren es, die ihn nach Bremen gelockt haben und für die er eine Lebenszeitprofessur in Soziologie an der Technischen Universität Chemnitz aufgab. Boehnke war selbst ein Wanderer zwischen den fachlichen Welten, hat zunächst Englisch und Russisch studiert, später in Psychologie promoviert und habilitiert, anschließend an einem erziehungswissenschaftlichen Institut gearbeitet und später als Soziologe gewirkt.
Seit nunmehr 15 Jahren schon, seit dem 1. Februar 2002, wirkt er auf dem Campus in Bremen-Nord. Den Schritt an die damalige International University Bremen, aus der die Jacobs University hervorging, hat er nicht bereut, trotz mancher Turbulenzen. „Das Konzept hat sich ganz und gar bewährt.“
Seitdem hat sich Boehnke vor allem mit seinen Studien zu Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus einen Namen gemacht, auch mit einem Projekt zu den Lebenswelten junger Muslime in Deutschland. Als Vertreter der angewandten Forschung versteht er sich, die sich nicht in der Produktion von Papieren erschöpfe, sondern in die Gesellschaft hineinwirken müsse. Das versuche er auch seinen Studierenden zu vermitteln. Für ihn bedeutet dies, sich zu stellen, etwa in Talkshows, und auch dann, wenn es mal Gegenwind gibt.
Dieses Jahr dürfte ein weiteres arbeitsreiches Jahr für Klaus Boehnke werden. Im Sommer 2016 wurde er zum Präsidenten der International Association for Cross-Cultural Psychology (IACCP) gewählt, ein Amt, das er im Sommer 2018 antritt; in der IACCP sind Psychologinnen und Psychologen aus 80 Ländern zusammengeschlossen sind. Zuvor aber wird der Vater von vier Kindern sich auf nach Moskau machen. Denn ab Februar übernimmt Boehnke zusätzlich zu seiner Arbeit in Bremen am International Laboratory for Socio-Cultural Research der Higher School of Economics in Moskau die Position des stellvertretenden Leiters.
Weitere Informationen:
https://www.jacobs-university.de
https://www.bigsss-bremen.de
https://www.jacobs-university.de/directory/kboehnke
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Klaus Boehnke | Professor für Sozialwissenschaftliche Methodenlehre
k.boehnke [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200- 3401
Über die Jacobs University:
Die Jacobs University ist eine private, unabhängige, englischsprachige Universität in Bremen. Hier studieren junge Menschen aus der ganzen Welt in Vorbereitungs-, Bachelor-, Master- und PhDProgrammen.
Internationalität und Transdisziplinarität sind die besonderen Kennzeichen der Jacobs University: Forschung und Lehre folgen nicht einem einzigen Lösungsweg, sie gehen Fragestellungen aus der Perspektive verschiedener Disziplinen an. Dieses Prinzip macht Jacobs Absolventen zu begehrten Nachwuchskräften, die erfolgreich internationale Karrierewege einschlagen.
Über die BIGSSS:
Die Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS) wird gemeinsam von der
Universität Bremen und der Jacobs University betrieben. An der Graduiertenschule für
Sozialwissenschaften werden derzeit rund 110 Promovierende aus der ganzen Welt in den
Kerndisziplinen Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie ausgebildet.
Kontakt:
Thomas Joppig | Brand Management, Marketing & Communications
t.joppig [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-4504