Mit der Arbeit etwas bewegen: Start-up-Gründer Christian Angern über den Reiz des Gründens
Ein tolles Team: Jacobs University Alumnus Christian Angern (links) mit seinen Geschäftspartnern von Sympatient, Bruder Julian Angern (mitte) und Jacobs Kommilitone Benedikt Reinke (rechts). (Quelle: Sympatient)
24. November 2022
Glück, den richtigen Riecher und vor allem ganz tolle Leute – das sind für Christian Angern Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmensgründung. Mit Bruder Julian Angern und Benedikt Reinke, ehemaliger Kommilitone an der Jacobs University Bremen, waren die tollen Leute schnell gefunden. Gemeinsam gründeten sie das Start-up „Sympatient“, ein digitales Behandlungsangebot für Angsterkrankungen, in das Anleger kürzlich 7,5 Millionen Euro investierten.
An der Jacobs University Bremen brachten Christian Angern und Benedikt Reinke im Jahr 2013 ihr erstes Start-up-ähnliches Unternehmen ans Laufen: die Jacobs Start-up Competition, einer der ersten Wettbewerbe für studentische Gründer:innen deutschlandweit. Den damals angestaubten studentischen „Business Club“ wandelten sie um in eine von Studierenden befeuerte, anwendungs- und technologiegetriebene Ideenschmiede. „Das hat mich total begeistert. Damals habe ich Blut geleckt“, erinnert sich Angern, der Global Economics and Management studierte. „Wir waren ein Team von 20 Leuten, das man führen musste. Wir haben Sponsorengelder eingeworben, hatten ein Ziel und klare Erfolgskriterien. Das ähnelte schon sehr einem Start-up.“
Heute führt der 29-Jährige bei Sympatient ein Team von gut 60 Mitarbeitenden. Mit ihrer Invirto-App hat das junge Unternehmen ein innovatives, digitales, verschreibungspflichtiges Medizinprodukt geschaffen für das es mehrfach ausgezeichnet wurde; zunächst 2019 mit dem Hamburger Gründerpreis, zwei Jahre später mit dem German Startup Award 2021 als „Newcomer des Jahres.“ In demselben Jahr gehörte Sympatient zu den Top 3 des Deutschen Gründerpreises, eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Gründerinnen und Gründer in Deutschland.
Die Grundsteine für den Erfolg des in Hamburg ansässigen Unternehmens wurden an der Jacobs University gelegt, meint Angern. Dies sei nicht nur wegen der ersten Teamführungserfahrungen, von denen er noch heute profitiert, eine prägende Zeit gewesen. Während eines Auslandssemesters in Harvard lernte er außerdem Grundzüge des Programmierens. „Für mich als Betriebswirt war das sehr wertvoll.“ Die Erfahrung mit der Jacobs Start Competition befähigte ihn auch, Visionen für ein Projekt zu formulieren und Akzeptanzkriterien zu setzen.
Die Vision von Sympatient ist es, die bestmögliche Versorgung für Angstpatient:innen zur Verfügung zu stellen. Christians Bruder, der Psychologe Julian Angern, hatte die Grundidee für das digitale Behandlungskonzept: mithilfe der Virtual Reality Technologie und begleitet von Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen durchlaufen Patient:innen eine digitale Expositionstherapie. Geschätzt leiden etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland an verschiedenen Formen von Angststörungen. Die Zahl wächst, nicht zuletzt durch Corona, doch Therapieplätze sind knapp. Nur einem geringen Teil der Betroffenen kann rechtzeitig eine Therapie angeboten werden. In diese Lücke ist Sympatient vorgestoßen, die digitale Psychotherapie bietet hier eine Alternative. So kam der Durchbruch für das 2017 gegründete Start-up bereits drei Jahre später, als die gesetzlichen Krankenkassen Invirto anerkannten und das Angebot per Rezept verordnet werden konnte.
Was klingt wie eine geradlinige Erfolgsgeschichte verlief keineswegs immer reibungslos. „Jedes Jahr gibt es ein, zwei Rückschläge bei denen man sich fragt: Warum tue ich mir das an? Warum sitze ich nicht hinter einem Schreibtisch und führe einfach nur Aufgaben aus, die mir aufgetragen wurden?“, erzählt Angern. Einer dieser Momente war ausgerechnet die Zulassung durch die Krankenkassen. „Sie kam ein, zwei Jahre früher als wir erwartet hatten, als Team waren wir noch nicht bereit dafür. Das war eine sehr stressige und herausfordernde Zeit. Aber letztlich sind wir alle an der Aufgabe gewachsen und es zeigte sich: Der Einsatz war es wert.“
Dass es nie langweilig wird, dass es immer wieder neue Aufgaben zu bewältigen gibt, manchmal mehr als einem lieb ist, das macht für Christian Angern den Reiz des Gründens aus. „Für mich bedeutet Start-up in jeder Hinsicht flexibel zu sein, nicht aufhören wollen zu lernen und bereit zu sein, neue Wege zu gehen. Und vor allem: eine Arbeitskultur des Miteinanders mit regelmäßigem Feedback.“
Dieser wertschätzende Umgang ist eine Erklärung dafür, warum Start-ups bei vielen Arbeitnehmer:innen hoch im Kurs stehen. Eine andere die gesellschaftlich relevanten Inhalte. Kürzlich habe ihm eine Mitarbeitende erzählt, nach Sympatient sei sie für andere Arbeitgeber verdorben, erzählt Angern. Warum? „Das Unternehmen ermöglicht eine sinnhafte Beschäftigung. Viele Menschen hinterfragen die eingefahrene Arbeitskultur. Sie wollen nicht nur Geld verdienen, sondern mit ihrer Arbeit etwas bewegen, die Gesellschaft ein Stück weit besser machen. Diese Ansicht teilen wir als Gründer. Unsere Arbeit hat Sinn und das gibt uns viel.“
Der nächste Schritt in der Entwicklung von Sympatient ist der Aufbau einer „Digital Anxiety Clinic“. „Wir glauben, dass wir den Patient:innen mehr als eine App bieten müssen“, sagt Angern. Die Clinic will den gesamten Behandlungspfad für Angsterkrankungen abdecken, von der Diagnose über die Therapie bis zur Nachsorge. Ziel sind maßgeschneiderte Therapieangebote die digital, persönlich oder auch hybrid erfolgen können.
Und was ist mit dem Exit, dem Verkauf des Unternehmens, den so viele Gründer:innen anstreben? „Für jedes Start-up, das Wagniskapital aufnimmt, ist das irgendwann ein Thema“, so Angern. Für Sympatient noch nicht. Das Unternehmen arbeitet weiter an der Verwirklichung seiner Vision. „Wir sind auf einem guten Weg, der Rest wird sich fügen“, ist Angern sich sicher.
Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professoren und Mitarbeiter vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.
Mehr über Sympatient:
https://sympatient.com/
Mehr zu Jacobs University Start-ups:
https://www.jacobs-university.de/meet-our-students
Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1500 Studierenden stammen aus mehr als 120 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
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