Auf der Suche nach neuen Wegen in der Logistik

Dr. Yilmaz Uygun ist Professor für Logistics Engineering, Technologies and Processes an der Jacobs University Bremen   Foto: Jacobs University

 

26. April 2018

Digitalisierung, Vernetzung, Automatisierung: Die Geschwindigkeit, mit der sich neue Technologien entwickeln, ist rasant. Nicht umsonst sprechen Fachleute von einer Revolution – der vierten in der industriellen Entwicklung nach der Mechanisierung, der Massenfertigung und der Elektronisierung der Produktion. „Für mich als Wissenschaftler sind dies ungeheuer spannende Zeiten“ sagt Dr. Yilmaz Uygun, Professor für Logistics Engineering, Technologies and Processes an der englischsprachigen Jacobs University in Bremen.

Wie kann man diese Technologien nutzbringend anwenden und Prozesse in der Logistik verbessern? Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich der Spezialist für die Produktionslogistik und den innerbetrieblichen Materialfluss. „Da gibt es ungeahnte Möglichkeiten“, sagt der 35-Jährige, der vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) an die Jacobs University kam und zuvor unter anderem am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund und am Lehrstuhl für Fabrikorganisation an der Technischen Universität in Dortmund wirkte.

Was einst mehrere Wochen dauerte, weil es noch manuell zu bewerkstelligen war, ist jetzt oft in wenigen Minuten erledigt. Uygun hat dies gerade wieder in einem Projekt mit einem Automobilzulieferer demonstriert. Darin ging es darum, die Änderungswünsche der Automobilhersteller an den Zulieferer zu antizipieren, auf Basis der Vergangenheitsdaten. Diese Wünsche sind oft sehr umfassend, ein entsprechender Katalog kann mehrere hundert Seiten dick sein. Dank des Projekts gelingt es dem Unternehmen nun, innerhalb kürzester Zeit festzustellen, welche Auswirkungen die Veränderungen etwa auf die Verpackung, das Labeling, den Transport oder die Lagerung haben – und wie teuer die Umsetzung der Änderungswünsche wird.

„Wir haben mithilfe von Algorithmen nach Mustern gesucht und diese getestet“, erzählt Uygun. „Durch Industrie 4.0 fallen überall Daten an, sie sind der Schlüssel für die neuen Möglichkeiten." Der zweifache Doktor der Ingenieurwissenschaften arbeitet dabei eng mit Kollegen aus anderen Fachbereichen zusammen, etwa mit Informatikern oder Mathematikern. Als Brückenbauer, als Mittler zwischen verschiedenen Welten, betätigt sich Uygun auch in einem anderen Bereich. Er nimmt am „Zukunftsforum Türkei Europa“ teil, einem Netzwerk junger türkischer und europäischer Nachwuchsführungskräfte, gefördert von der Stiftung Mercator und der Europäischen Union, das jährlich 30 Führungskräfte unterschiedlichster Disziplinen zusammenbringt.

Mittlerweile ist Yilmaz Uygun zwei Jahre an der Jacobs University tätig. „Bremen ist ein sehr guter Logistikstandort“, sagt er. „Universitäten, Hochschulen, Behörden und Unternehmen sind eng untereinander vernetzt. Sie ziehen bei einzelnen Projekten gemeinsam an einem Strang“, so seine Erfahrung. Uygun forscht jedoch nicht nur, er unterrichtet auch Bachelor- und Masterstudierende. Der Kontakt zu den Studierenden sei an der Jacobs University sehr eng. Ihre Internationalität und die verschiedenen kulturellen Hintergründe seien sehr anregend, auch für seine Lehrtätigkeit. „Die Studierende stehen auf der Matte, sie wollen etwas lernen, sie schreiben E-mails, sie haken nach, kommen zu den Sprechstunden“, erzählt Uygun. „Das ist auch für mich motivierend, meine eigene Arbeit immer wieder zu überdenken und interaktiver zu gestalten. Sich einfach nur vorne hinzustellen –  damit kommt man hier nicht weit.“

Am Donnerstag, 24. Mai, 19 Uhr, wird Uygun im Rahmen der Reihe „Jacobs Uni trifft Bürgerhaus: Wissenschaft für alle“ einen Vortrag über Logistik in Zeiten der vierten industriellen Revolution im Bürgerhaus Bremen-Vegesack halten. Die Selbststeuerung der Systeme sei der nächste Schritt in der Entwicklung, davon ist er überzeugt. Maschinen bräuchten künftig nicht mehr manuell anpasst zu werden, etwa bei der Einführung eines neuen Produktes, sie erledigen das alleine, die Produktion, ihre Planung und Durchführung, wird automatisiert.

Das koste Jobs, keinen Zweifel, besonders solche mit immer wiederkehrenden, manuellen Tätigkeiten. Die Überwachung und das Design der Systeme jedoch, das Lösen von Problemen und auch das Aushandeln von Verträgen mit Zulieferern werde weiter in der Hand von Menschen bleiben, sagt er. Wie die Jobverluste aufgefangen werden können, will Uygun in einer neuen Studie untersuchen. „Da werden viele Horrorszenarien verbreitet, oft ist es kaum mehr als ein Blick in die Glaskugel.“

Uygun will den Menschen die Angst vor Veränderung nehmen, er glaubt an die Chancen von Industrie 4.0 und verweist auf die Erfahrungen von vor 40, 50 Jahren, als die Automatisierungswelle durch die Fabriken schwappte. „Der Roboter hat die Menschen nicht verdrängt, es sind neue Berufe entstanden.“ Sie konnten auch deshalb ausgefüllt werden, weil viele sich weitergebildet hätten. Das sei auch jetzt nötig, rät er.

Deutschland müsse sich im weltweiten Wettbewerb behaupten, sagt Uygun. „Was wir bisher machen, haben inzwischen auch andere gelernt und machen es in vielen Fällen effizienter.“ Deshalb sei für ihn klar: „Unsere Aufgabe in einer Industrienation wie Deutschland ist es, neue Wege zu gehen und eine Vorreiterrolle einzunehmen.“

Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professoren und Mitarbeiter vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.


Weitere Informationen:
https://www.youtube.com/watch?time_continue=44&v=R7uf-yr0TbM

Fragen beantwortet:
Dr. Yilmaz Uygun | Professor of Logistics Engineering, Technologies and Processes
y.uygun [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3382

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre fast 1400 Studierenden stammen aus mehr als 100 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem Europäischen Forschungsrat ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
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