Aus Leidenschaft für die Chemie: Der lange Weg zweier DAAD-Stipendiaten zu ihrer Promotion

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Professor Ulrich Kortz (Mitte) mit den beiden DAAD-Stipendiaten Sahar Khandan (rechts) und Mahmoud El Cheikh Mahmoud (links). (Quelle: Jacobs University) ,

 

28. April 2022
 
Sahar Khandan durfte als Christin im Iran nicht promovieren. Mahmoud El Cheikh Mahmoud wuchs als staatenloser Palästinenser im Libanon auf. Beide sind hervorragende Nachwuchswissenschaftler:innen, beide teilen die Leidenschaft für die Chemie. Und beide haben nun vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ein Promotionsstipendium erhalten, dass ihnen ihre Forschung an der Jacobs University Bremen ermöglicht. „Das ist eine wunderschöne Sache, für ihre Leidenschaft und ihr Durchhaltevermögen haben es beide verdient“, freut sich Chemieprofessor Dr. Ulrich Kortz, dessen Arbeitsgruppe beide angehören.

Kortz ist ein Pionier in der Erforschung von diskreten Metall-Oxo-Clustern, die auch als Polyoxometalate (POM) bekannt sind. Hierbei handelt es sich um eine Klasse von Verbindungen mit vielfältigen katalytischen und biomedizinischen Eigenschaften, die er mit seiner Forschungsgruppe seit 2002 an der Jacobs University entwickelt hat. Sahar Khandan hatte von dieser Grundlagenforschung im Iran gelesen und sich in ihrem Masterstudium an der University of Zanjan selbst mit POM beschäftigt. Doch als sie promovieren wollte, wurde die Christin mehrfach von Regierungsvertretern zu ihrer religiösen Überzeugung befragt. Schließlich wurde ihr die Promotion verweigert.

Sahar ließ nicht locker. „Ich wollte unbedingt in diesem Bereich weiter forschen“, erzählt sie. Also bewarb sie sich an einer anderen Universität im Iran und wurde vorerst angenommen. Doch nach einem Jahr intervenierten die Behörden. Sie musste die Universität verlassen. „Dass ich als Christin im Iran nicht promovieren durfte, war für mich schwer zu akzeptieren“, sagt sie. Sahar beschloss ins Ausland zu gehen und bewarb sich an der Jacobs University.

Hier erfährt und erlebt sie seit Mai vergangenen Jahres, was der Iran verneint – dass Menschen mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen sehr gut zusammen arbeiten, lernen, forschen und leben können. „Ich habe hier Freunde aus den verschiedensten Ländern gefunden. Das ist eine tolle Erfahrung.“

Auch der Weg von Mahmoud war nicht geradlinig, wenn auch ganz anders als der seiner Mitdoktorandin. „Meine Situation ist aufgrund meiner Nationalität kompliziert“, erzählt der Palästinenser. Aufgewachsen in einem Camp für Geflüchtete im Süden des Libanon, hat er weder einen libanesischen noch einen palästinensischen Pass. Er ist staatenlos. Für Reisen nach Europa ist es schwierig, ein Visum zu bekommen. So durfte er zur Hochzeit eines Cousins nicht nach Schweden einreisen.

In die USA geht es einfacher. Dort absolviert er mithilfe eines Stipendiums sein Bachelorstudium. Als sein Vater starb, kehrte er in den Libanon zurück und kümmerte sich einige Jahre um die Familie, bevor er an der American University of Beirut (AUB) seinen Master in Chemie absolvierte. „Für mich stand auch Mathematik zur Auswahl, aber Chemie ist konkreter. Ich mag die Arbeit im Labor und habe eine Leidenschaft für das Fach entwickelt“, erzählt er. Nach Bremen kam Mahmoud mithilfe von Ulrich Kortz, der einst selbst fünf Jahre an der AUB gelehrt hatte, bevor er 2002 an die Jacobs University kam. „Nach meinem Master hieß es: warten, warten, warten. Allein vier Monate nur um einen Termin an der Deutschen Botschaft zu bekommen.“ Als Ulrich Kortz persönlich die Botschaft anschrieb, bekam er den Termin innerhalb weniger Stunden.

Sahar Khandan und Mahmoud El Cheikh Mahmoud forschen beide an POM, allerdings an ganz unterschiedlichen Materialien und Anwendungen. Beide sind glücklich darüber, es an die Jacobs University geschafft zu haben und durch ein DAAD-Stipendium finanziert zu werden. Für die kommenden drei bis vier Jahre haben sie Sicherheit. Und dann? „Ob in Forschung oder der Industrie – Deutschland bietet so viele Möglichkeiten“, sagt Sahar. Mahmoud fasst seine Zukunftspläne so zusammen: „Viele Staatenlose haben keine Chance auf eine gute Zukunft. Ich konzentriere mich jetzt erstmal auf mein Studium.“ Dass ihnen viele Türe offenstehen werden, daran zweifelt Ulrich Kortz nicht: „Beide sind erstklassig. Beide werden ihren Weg weitergehen.“


Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.600 Studierenden stammen aus mehr als 110 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

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