Die ungewöhnliche Karriere des Aganze Baciyunjuze Gloire

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Als Jugendlicher schuftete er in einer Mine im Kongo, heute promoviert er an der Jacobs University Bremen: Aganze Baciyunjuze Gloire. (Quelle: Jacobs University)

 

13. Juli 2022
 
Er war jung, naiv, und wollte unbedingt Erfahrungen im Bergbau sammeln. „Davon hatte ich immer geträumt, Mineralien faszinierten mich“, erzählt Aganze Baciyunjuze Gloire. Als der Werber in seinen Heimatort kam und gutes Geld bot für die Arbeit in einer Mine, überlegte der damals 17-Jährige nicht lange. Was dann folgte, erinnert er sich, „war die schlimmste Erfahrung meines Lebens.“

Der illegale Abbau von Rohstoffen wie Zinn, Wolfram, Tantal oder auch von Gold durch Kleinschürfer ist in der Demokratischen Republik Kongo weit verbreitet. Oft werden Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen für diese Arbeit eingesetzt. Diese erlebte auch Gloire. Aus ungesicherten Stollen schleppte er schwere Gesteinsbrocken an die Oberfläche, die gewaschen, zerkleinert und oft mit Quecksilber behandelt wurden, um darin enthaltene Metalle freizuzusetzen. Gewalt war an der Tagesordnung. Die erste Gelegenheit nutzte er zur Flucht.

Trotz der traumatischen Erlebnisse und enttäuschten Hoffnung, blieb sein Interesse an Mineralien und ihrem Abbau. „Ich wollte mehr darüber lernen und das will ich immer noch“, sagt er. Gloire studierte Bergbau an der katholischen University of Bukavu im Kongo. Seinem Bachelor ließ er einen Master in Geologie an der University of Nairobi in Kenia folgen. Anschließend wurde er in ein Förderprogramm der Internationalen Meeresbodenbehörde aufgenommen. Diese verwaltet die Bodenschätze der Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit und vermittelte ihm wiederum ein Praktikum bei der kanadischen Firma „The Metall Company“.  Mit seinen Kolleg:innen ging er auf eine Expeditionsfahrt in die „Clarion-Clipperton-Zone“ im Pazifik.

Dieses Gebiet erstreckt sich von der Westküste Mexikos bis nach Hawaii. Was es für Unternehmen und die Wissenschaft so interessant macht, befindet sich einige Tausend Meter tief auf dem Boden des Ozeans: polymetallische Manganknollen. Sie enthalten erhebliche Mengen an Kobalt, Nickel und Kupfer – gefragte und knappe Stoffe, die etwa für die Transformation unseres Energiesystems, für den Bau von Batterien, E-Autos oder Windkraftanklagen dringend benötigt werden.

„Ich hatte Erfahrungen mit dem Bergbau an Land. Der Tiefseebergbau war ein ganz neues Gebiet für mich, das mich sofort begeistert hat und mit dem ich mich weiter beschäftigen wollte. Seitdem habe ich viel über neue Techniken und Möglichkeiten zur Gewinnung von Mineralien aus verschiedenen Umgebungen gelernt“, erzählt Gloire. Für seine Promotion suchte er eine Betreuerin, die in diesem Bereich forscht und stieß auf Dr. Andrea Koschinsky, Professorin für Geowissenschaften an der Jacobs University. Sie sagte zu, doch dann kam Corona und mit der Pandemie verlor er sein Stipendium. Gloire gab nicht auf und bewarb sich erfolgreich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um eine Förderung. „Andrea Koschinsky hat sich sehr für mich eingesetzt, ohne ihre Unterstützung wäre ich nicht hier.“

Seit Oktober 2021 ist der wissbegierige 31-Jährige als Doktorrand an der Jacobs University. Sein Thema sind die Umweltauswirkungen eines möglichen Abbaus der Manganknollen auf das Ökosystem der Tiefsee. Noch geschieht der kommerzielle Abbau dieser Bodenschätze nicht. Doch angesichts der Endlichkeit der Ressourcen an Land und der hohen Nachfrage wird dies immer wahrscheinlicher. Die Tiefsee ist dabei besonders verletzlich. Aufgrund der dort vorherrschenden niedrigen Temperaturen, Dunkelheit und der begrenzten Nährstoffe, laufen die Prozesse sehr langsam ab.

„Beim Abbau von Manganknollen entstehen große Wolken von Schwebstoffen, die sich mehrere Kilometer weit ausbreiten und die biologische Vielfalt sowie die Funktionen des Ökosystems beeinträchtigen können“, erläutert Gloire. Was diese Wolken bewirken und wie sie sich eingrenzen lassen, ist Gegenstand seiner Forschung. Die kann er bald auch wieder vor Ort ausüben: Im Oktober bricht Gloire erneut zu einer Forschungsreise in die Clarion-Clipperton-Zone auf. Er erhofft sich mit den Erkenntnissen aus seiner Promotionszeit, verschiedene Branchen und politische Gremien bei ihren Bemühungen um die Entwicklung von Bergbauvorschriften zu unterstützen.

Seit einem dreiviertel Jahr ist Gloire jetzt in Bremen, er hat sich gut eingelebt. „Die Arbeitsgruppe von Andrea Koschinsky hat es mir sehr leicht gemacht, sie ist wie eine Familie, jeder hilft jedem.“ Der Kontakt zu seiner Heimat ist weiterhin eng. „Ich will meinem Land helfen, den Bergbausektor zu regulieren und zu modernisieren.“

Um beispielsweise die Standards der Lieferketten zu heben, führt er Online-Audits durch, unterrichtet an der Universität und engagiert sich vor allem für „ORACLE-DCR“. Diese Wohltätigkeitsorganisation, die er mit Unterstützung der „Young African Leadership Initiative“ (YALI) gegründet hat, will illegale Aktivitäten wie etwa Kinderarbeit zu bekämpfen. Zudem sollen einkommensschwache Familien in den mineralienreichen Gebieten des Kongo unterstützt werden. Ungefähr 30 Prozent der Bergbauarbeit im Kongo wird von Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis 17 Jahren erledigt. „Die Hauptursache für die Kinderarbeit ist Armut“, sagt Gloire. „Wir versuchen den betroffenen Kindern und ihren Familien zu helfen, vor allem durch Bildungsangebote.“ Denn Bildung eröffnet ganz neue Möglichkeiten.

Mehr über Gloire:
LinkedIn: Glory Aganze
Instagram: Glo Agan
Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professor:innen und Mitarbeitende vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.


Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.600 Studierenden stammen aus mehr als 110 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

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