Eine von wenigen: die Ausnahme-Mathematikerin Jessica Fintzen
Jessica Fintzen, hier in Sydney, ist als herausragende Mathematikerin international gefragt. Foto: privat
22. Juni 2018
Womöglich kann man sie mit einer Spitzensportlerin vergleichen, die jahrelang hart für ein Ziel trainiert. Nur dass es in ihrem Fall nicht um schneller, höher, weiter geht, sondern um mathematischen Beweise. „Dieses Gefühl, wenn man etwas Neues bewiesen hat, was keiner zuvor erreicht hat, und was auch nicht mehr widerlegt werden kann, dieses Gefühl ist unbeschreiblich schön“, sagt Jessica Fintzen. „Es ist ein so wunderbares Gefühl, dass man die ganze Frustration auf dem langen und harten Weg dorthin auf sich nimmt.“
In ihrer Doktorarbeit hat die 29-jährige Absolventin der Jacobs University Bremen etwas Neues bewiesen und ist dafür gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet worden: mit dem Promotionspreis der „Association of Women in Mathematics“ in den USA und dem Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis der Studienstiftung des Deutschen Volkes.
„On the Moy-Prasad filtration and stable vectors“ lautet der Titel ihrer an der Harvard University erstellten Arbeit. Worum es darin geht, dürfte sich den Wenigsten erschließen. Um zwei sehr unterschiedliche Teilgebebiete der Mathematik, die auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden seien, meint die Preisträgerin. Um Teilgebiete „...deren volles Verständnis tiefgreifende Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben könnte, zum Beispiel in der Datenverschlüsselung“, so beschreibt es die Studienstiftung.
Dem Streben, die „wunderschönen Strukturen der Mathematik zu entdecken“, wie sie sagt, ist sie schon als Schülerin erlegen. Aufgewachsen in Quickborn bei Hamburg nahm sie am Jugend-forscht-Wettbewerb teil, wurde Bundessiegerin, fuhr zur Internationalen Mathematik-Olympiade nach Madrid. „Die Mathematik finde ich faszinierend, weil alles so schön logisch ist“, sagt Jessica Fintzen. Ist einmal etwas bewiesen, ist es für immer bewiesen. Zudem könne man Mathematik überall betreiben, es genüge Papier, Stift und Zugang zu anderen Veröffentlichungen.
Wie das funktioniert, Forschung in der Mathematik? „Nachdenken, denken, denken, andere Veröffentlichungen lesen, viel lernen, selber denken, denken, neue Methoden lernen, denken, denken, Ideen verwerfen, neue Idee testen, Beispiele ausprobieren, um neue Ideen zu erhalten, verschiedene Methoden testen, nachdenken, grübeln, auf Geistesblitz hoffen, mehr lernen, mehr ausprobieren.“
, Das Studium an der Jacobs University Bremen wurde für Jessica Fintzen zum Sprungbrett für ihre internationale Karriere.
Sprungbrett für ihre Karriere war das Mathematik-Studium an der Jacobs University, das sie 2011 mit dem Bachelor abschloss. „Das war super“, sagt sie, „weil die Jacobs University englischsprachig und international ist. Das Verhältnis zu den Professoren ist sehr eng, die Gruppen klein und die Mitstudierenden sehr gut, was zusätzlich motiviert.“ Es folgte der Wechsel in die USA, zum Promotionsstudium an die Harvard University, es folgten Anstellungen als Postdoctoral Assistant Professor an der University of Michigan und am Institute for Advanced Study in Princeton, an dem Albert Einstein einst als Professor wirkte.
Der war zweifelsohne ein Mann. Und wenn Jessica Fintzen sich umblickt, dann sieht sie viele Männer in der Mathematik, aber wenige Frauen. „Vom Studium bis zur Habilitation: Je weiter sie kommen, desto weniger Frauen gibt es“, sagt sie. Woran das liegt, ist nicht so einfach zu beantworten. Es fehlt an Vorbildern, so wie sie eines ist, und es hat auch mit Diskriminierung und Durchhaltevermögen zu tun. Als Schülerin, erzählt sie, habe sie an einem Wettbewerb teilgenommen, in dem ein Junge ihre Lösung ablehnte, weil sie von einem Mädchen kam. „Ich musste nicht nur die Aufgabe lösen, sondern in der Gruppe für ihre Anerkennung auch noch kämpfen.“
In den USA werde die Geschlechtergerechtigkeit viel stärker thematisiert als in Deutschland, meint sie, Jessica Fintzen vertritt da eine klare Position: „Frauen sollten natürlich die gleichen Chancen wie Männer haben und es darf keine Abwertung von Leistung aufgrund des Geschlechts geben.“ Sie selbst unterstützt Studierende als Mentorin und engagiert sich in der Association for Women in Mathematics. „Ich versuche einfach, auch in der Mathe-Gesellschaft präsent zu sein und jüngeren Frauen zu zeigen, dass man auch als Frau Mathe machen kann.“
Mathe machen wird sie künftig vermehrt in England. Am 1. August tritt Dr. Jessica Fintzen ihre Junior Research Fellowship am Trinity College in Cambridge an. Ihren Job als Postdoctoral Assistant Professor an der University of Michigan behält sie bei. In Cambridge hofft sie, einer Leidenschaft frönen zu können, die zuletzt ein wenig zu kurz gekommen: dem Turnen. Denn sie beherrscht nicht nur die Mathematik, sondern auch das Bodenturnen, wie ein sehr sehenswerten Video der Deutschen Studienstiftung zeigt. https://www.studienstiftung.de/stipendiaten/videoportraets/
Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professoren und Mitarbeiter vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.
Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre fast 1400 Studierenden stammen aus mehr als 100 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem Europäischen Forschungsrat ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
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