Seltene Erden und die Entwicklung der Atmosphäre und Ozeane in der Frühzeit der Erde

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Seltene Erden in Gesteinsformationen liefern eine Vielzahl von geowissenschaftlichen Informationen, zum Beispiel über die Entwicklung der Ozeane und der Atmosphäre in der Frühzeit der Erde. Hier abgebildet: Kalksteine (Stromatoliten) in Südafrika. (Quelle: Michael Bau) ,

 

11. März 2021
 
Als kritische Rohstoffe für Hochtechnologien und neue Umweltschadstoffe sind Seltene Erden in den letzten Jahren immer stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Auch in der Grundlagenforschung liefern sie eine Vielzahl von Informationen, zum Beispiel über die Entwicklung der Ozeane und der Atmosphäre in der Frühzeit der Erde. Zwischen 2.440 und 2.330 Millionen Jahren vor heute ist der Sauerstoffgehalt auf der Erde signifikant angestiegen. Wie man diese Entwicklung mithilfe der Seltenen Erden in Gesteinsformationen erkennen und dadurch zeitlich genauer einordnen kann, zeigen Geowissenschaftler:innen der Jacobs University Bremen in mehreren kürzlich erschienenen Studien.

Während der Frühzeit der Erde gab es weder in der Atmosphäre noch in den Meeren freien Sauerstoff. „Alle Lebewesen waren an diese Bedingungen jedoch so perfekt angepasst, dass für sie Sauerstoff sogar ein Umweltgift war und eine noch größere Bedrohung als für uns heute der Kohlenstoffdioxidanstieg“, sagt Michael Bau. Der Professor für Geochemie an der Jacobs University untersuchte mit seinen Mitarbeiter:innen Katharina Schier, David Ernst und Timmu Kreitsmann bis zu 2.700 Millionen Jahre alte Gesteine, die sich damals am Meeresboden gebildet hatten. „Zum ersten Mal überhaupt wurden neben Proben aus Brasilien, Südafrika und Russland auch Gesteine aus der Antarktis in solche Untersuchungen mit einbezogen,“ betont Ernst.

Diese Archive für die Verteilung der Seltenen Erden im Meerwasser zeigen, dass ein Großteil dieser Elemente in den Ozeanen der frühen Erde aus über 250 Grad Celsius heißen Quellen am Meeresboden stammte. Dadurch reicherte sich im Vergleich zu anderen Seltenen Erden verstärkt das Element Europium an. Das Erdinnere kühlte sich dann immer mehr ab und die Bedeutung der heißen Lösungen ging allmählich zurück. Vor etwa 2.440 Millionen Jahren war die Europium-Anreicherung verschwunden und kann seither nur noch lokal im Zusammenhang mit vulkanischer Aktivität beobachtet werden. Weil in der Atmosphäre und im Ozean zu dieser Zeit noch kaum Sauerstoff vorhanden war, wurde das Element Cer zusammen mit den anderen Selten Erden von den Kontinenten ins Meer gespült.

Doch dann kam es im Ozean zu grundlegenden Veränderungen: Zum ersten Mal in der Erdgeschichte wurden vor rund 2.410 Millionen Jahren große Mengen des Schwermetalls Mangan als Manganoxid am Meeresboden abgelagert. Dieses Mangan bildet heute im Kalahari-Manganfeld in Südafrika die Basis für die größten Manganlagerstätten der Welt. Offensichtlich war der Sauerstoffgehalt im Meerwasser deutlich angestiegen.

Aber was geschah auf dem Festland? „Auch hier helfen uns die Seltenen Erden weiter“, sagt Schier. „Das Meerwasser war zu dieser Zeit an Cer verarmt und dies kann nur durch einen hohen Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre verursacht worden sein.“ Dadurch wurde das Cer bei der Verwitterung auf dem Festland oxidiert, in Böden und Verwitterungskrusten zurückgehalten und nicht mehr von den Flüssen ins Meer eingetragen. Die Seltenen Erden zeigen also, dass der starke Anstieg des Sauerstoffgehalts, ein Phänomen, das Geowissenschaftler:innen als das „Große Oxidationsereignis“ bezeichnen, nicht nur die Meere betraf, sondern auch die Atmosphäre und damit das Festland.

Wie es nach dem Großen Oxidationsereignis weiterging, wird in der Wissenschaft noch kontrovers diskutiert. Es ist unklar, ob die Ozeane im Gegensatz zur sauerstoffreichen Atmosphäre wieder sauerstoffarm wurden. Die Seltenen Erden in 2.000 Millionen Jahre alten Gesteinen aus dem Nordwesten Russlands weisen mit ihrer Verarmung an Cer allerdings darauf hin, dass die Änderungen eher gering waren. „Die Atmosphäre und zumindest das Oberflächenwasser der Meere war auch zu dieser Zeit reich an Sauerstoff,“ sagt Kreitsmann. „Es entwickelten sich Lebewesen, die auf diesen Sauerstoff angewiesen waren, so wie wir heute auch.“

An dem Forschungsprojekt waren Wissenschaftler:innen aus insgesamt neun Ländern beteiligt. „Globale Veränderungen kann man nur durch internationale Zusammenarbeit erkennen und verstehen“, betont Professor Bau. Seine Forschungsgruppe kombiniert Grundlagenforschung über kritische Hochtechnologiemetalle wie die Seltenen Erden, Scandium oder Gallium, die für Elektromobilität, Energiewende und Digitalisierung von essentieller Bedeutung sind, mit angewandter Forschung zu deren Lagerstätten und deren Verhalten in der Umwelt.

Link zu den Studien:
https://www.jacobs-university.de/directory/mbau
 
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Michael Bau
Professor für Geochemie
Tel: +49 421 200-3564
Email: m.bau [at] jacobs-university.de
 

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