Sprachbarrieren in Afrika überwinden: Studierender an der Jacobs University entwickelt Übersetzungsprogramm

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Bonaventure Dossou studiert Data Engineering an der Jacobs University. Zusammen mit einem Freund hat er eine Übersetzungssoftware entwickelt, um Sprachbarrieren in Afrika zu überwinden. (Quelle: AIJ Conference in Moskau)

 

19. Oktober 2020
 
Fragt man Alexa oder Siri, ob sie Fon sprechen, äußern die beiden Sprachassistenten von Amazon und Apple ihr Unverständnis. Auch Übersetzungsprogramme wie Google Translate kennen kaum afrikanische Sprachen. Bonaventure Dossou, der an der Jacobs University Bremen den Master-Studiengang Data Engineering studiert, will das ändern. Er hat gemeinsam mit seinem Freund Chris Emezue eine Übersetzungssoftware entwickelt – um seine Mutter besser zu verstehen.
 
Fon wird in Benin gesprochen, der Heimat von Bonaventure, ebenso in Teilen von Nigeria und Togo. Die Amtssprache in dem 14 Millionen Einwohner zählenden Staat Benin im westlichen Afrika aber ist Französisch, die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht. Diese spricht Bonaventure perfekt. In der Schule hat er sie ausschließlich gesprochen und auch mit seinem Vater hat er sich nur auf Französisch verständigt. „Mein Fon ist daher mit der Zeit eingerostet, doch das ist die einzige Sprache, die meine Mutter spricht“, erklärt Bonaventure. Als er für sein Studium ins Ausland zog, verstand er die Sprachnachrichten, die sie ihm schickte, nicht immer komplett. „Ich musste manchmal meine Schwester um eine Übersetzung bitten.“
 
Diese Kommunikationsstörung zwischen Mutter und Sohn war der Startpunkt eines Projektes, das für ein besseres Verständnis auf dem afrikanischen Kontinent sorgen könnte. Zusammen mit Chris entwickelte Bonaventure eine Übersetzungssoftware. Die beiden haben sich an der Kasaner Föderalen Universität in Russland kennengelernt, wo sie Mathematik studierten. Beide wechselten nach ihrem Bachelorabschluss mit Auszeichnung nach Deutschland, Chris an die Technische Universität München, Bonaventure an die Jacobs University. Seit Ende August ist er in Bremen, um seinen zweijährigen Master in Data Engineering zu absolvieren. „Das ist ein tolles Programm. Besonders der Austausch mit den Lehrenden und den Studierenden aus aller Welt gefällt mir sehr“, begründet er seine Entscheidung.
 
Mit der Entwicklung ihrer Übersetzungssoftware begannen Bonaventure und Chris schon in Russland. Sie funktioniert mit einer künstlichen Intelligenz (KI). „Wir haben uns gesagt: Lass uns etwas machen, was noch nie gemacht worden ist“, erzählt Bonaventure. Das Problem: Wie die meisten der rund 2000 afrikanischen Sprachen ist Fon keine Schriftsprache. Texte, um die Software mit Wörtern, Grammatik und Syntax zu füttern, gibt es nur wenige. „Für Übersetzungsalgorithmen und maschinelles Lernen braucht man aber Daten. Je mehr, desto besser“, weiß Bonaventure.
 
Die ersten Daten bekam das Duo von der „Masakhane Community“, einer Online-Gemeinschaft von Forschern, die daran arbeiten, afrikanische Sprachen durch den Einsatz von KI zu fördern. Der erste Datensatz bestand aus Bibeltexten, verfasst von christlichen Missionaren. „Mit täglicher Konversation hatte das wenig zu tun“, sagt Bonaventure lachend. Die Programmierung erwies sich als herausfordernd, auch weil von Fon über 50 verschiedene Dialekte existieren. Zwar wird für die Sprache das lateinische Alphabet verwendet, doch schon die Setzung eines Akzents kann einem Wort eine komplett andere Bedeutung geben.
 
„Mittlerweile verfügen wir über 25.000 Datensätze. Für eine Sprache sind das sehr, sehr wenige“, sagt Bonaventure. „Aber wir tun, was wir können.“ Noch befindet sich seine Plattform in der Entwicklung, im kommenden Jahr soll sie online gehen – dann mit einer Funktion, in der jeder seine eigene Übersetzung hinzufügen kann. Das ist möglich, weil der 23-Jährige zusammen mit zwei Freunden, Fabroni Yoclounon and Ricardo Ahouanvlame, inzwischen eine mobile Tastatur für afrikanische Sprachen entwickelt hat, die im Google Play Store verfügbar ist. Auch eine mobile Anwendung für die Übersetzungssoftware ist geplant.
 
Das Vorhaben hat schon jetzt Kreise gezogen. Das Duo war eingeladen, seine Arbeit auf zwei der weltweit größten Konferenzen über KI und Computerlinguistik vorzustellen: auf der „International Conference on Learning Representations“ in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, und auf der "58. Computerlinguistik (ACL)" im US-amerikanischen Seattle. Über die Möglichkeiten des maschinellen Lernens bei der Übersetzung afrikanischer Sprachen hielt Bonaventure auf der "AI Expo-Africa", der größten AI-Konferenz für Unternehmen auf dem Kontinent, einen Vortrag.
 
Bonaventure ist davon überzeugt, dass KI und das maschinelle Lernen auch in Afrika einen wesentlichen Beitrag leisten kann, um die Sprachbarrieren zu überwinden. „In vielen afrikanischen Ländern ist es dasselbe: Es wird Englisch, Französisch oder Portugiesisch gesprochen. Die Muttersprachen werden nicht gefördert. Einige sind vom Aussterben bedroht.“
 
„Ich möchte helfen, Afrika auf die KI-Landkarte zu bringen“, meint Bonaventure. „Mit einigen Modifikationen ist unsere Plattform auch auf andere afrikanische Sprachen übertragbar.“ Das Duo arbeitet bereits an einer Version mit der sich die Nutzer zwischen Fon und Igbo verständigen können, einer in Nigeria weit verbreiteten Sprache. Bisher wird keine afrikanische Sprache von den Anbietern von Sprachassistenzsystemen unterstützt. Lediglich Google Translate berücksichtigt einige von ihnen.
 
Sprachnachrichten von seiner Mutter bekommt der 23-Jährige weiterhin. Allerdings nutzt sie inzwischen die Fon-Tastatur. „Das hat uns nochmal enger zusammengebracht. Unsere Kommunikation hat sich echt verbessert.“
 
Einen Wunsch hat Bonaventure aber noch: „Ich würde mich gerne mit anderen KI-Interessierten in Bremen vernetzen.“
 
Bonaventure Dossou auf Social Media:
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Bonaventure DOSSOU

Lesen Sie mehr über Bonaventure: Lanfrica: Datenbank für afrikanische Sprachen entwickelt von einem Studierenden der Jacobs University
 
Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professoren und Mitarbeiter vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.500 Studierenden stammen aus mehr als 120 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

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