Stabile MHC-Proteine für die Krebsimmuntherapie: Innovation der Jacobs University ermöglicht neue Behandlungsmethoden

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Prof. Sebastian Springer (links) hat mit seinem deutsch-dänischen Forschungsteam (rechts) zwei Arbeiten veröffentlicht, die revolutionäre neue Methoden zur Beschleunigung der Tumorimmuntherapie zum Gegenstand haben. (Quelle: Jacobs University) ,

 

25. Juli 2019

In der Krebsbehandlung ist die vielversprechendste Innovation der letzten Jahre die Tumor-Immuntherapie. Bei diesem Ansatz, der nun in klinischen Studien erprobt wird, „trainieren“ Wissenschaftler und Ärzte das Immunsystem des Patienten darin, den Tumor zu erkennen und zu beseitigen, indem sie – anstelle von Medikamenten oder Operationen – die körpereigenen Abwehrkräfte zur Überwindung der Krankheit einsetzen. In der Zeitschrift Science Immunology hat nun die Gruppe von Prof. Sebastian Springer von der Jacobs University Bremen zusammen mit Mitarbeitern aus Deutschland und Dänemark zwei Arbeiten veröffentlicht, die revolutionäre neue Methoden zur Beschleunigung der Tumorimmuntherapie etablieren, um sie besser auf den einzelnen Patienten abzustimmen und die Durchführung kostengünstiger zu gestalten.

Die Innovationen der Jacobs-Forscher betreffen eine Gruppe von Proteinen, die als MHC- (Major Histocompatibility Complex) Proteine bezeichnet werden. Sie sind an der Oberfläche aller Körperzellen vorhanden und dienen dem Immunsystem als Signale, um zu erkennen, ob eine Zelle zu einer Tumorzelle geworden ist. Die T-Zellen, also weiße Blutkörperchen des Immunsystems, erkennen die MHC-Proteine auf der Oberfläche einer Tumorzelle mit ihren T-Zell-Rezeptoren. Die T-Zellen können dann die Tumorzelle abtöten. Diese erstaunliche Eigenschaft der T-Zellen wird für die Tumorimmuntherapie genutzt.

Für ihre Arbeit in Diagnose und Therapie benötigen Ärzte und Forscher oft gereinigte MHC-Proteine. So wurde beispielsweise getestet, ob gereinigte T-Zell-Rezeptoren (mit denen Medikamente zielgenau zu den Tumorzellen geleitet werden) nur mit dem Tumor und nicht mit gesundem Körpergewebe reagieren. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Antitumormittel so wenig Nebenwirkungen wie möglich haben. Zweitens werden sie verwendet, um die Antitumor-T-Zellen des Krebspatienten zu erkennen und sicherzustellen, dass sie sich richtig vermehren.

MHC-Proteine waren bislang schwierig und mühsam zu produzieren, und stellten so einen Engpass in der Forschung und Diagnose dar. „Wann immer ein Forscher MHC-Proteine benötigte, musste er eine externe Firma bitten diese herzustellen. Und der notwendige Prozess dauerte vier bis sechs Wochen“, erklärt Prof. Sebastian Springer, Professor für Biochemie and Zellbiologie an der Jacobs University. „Natürlich verursachte diese aufwendige Prozedur große Probleme, wenn Ärzte einen kranken Patienten hatten, den sie diagnostizieren wollten, oder wenn Forscher einem wirklich dringenden wissenschaftlichen Projekt folgten. Das Problem war, dass jedes MHC-Protein ein kleines Stück eines Tumors namens Peptid enthält, das von Patient zu Patient variiert, und ohne dieses Peptid waren die MHC-Proteine instabil und starben schnell, auch wenn sie im Kühlschrank aufbewahrt wurden."

In intensiver Arbeit über ein Jahrzehnt hinweg identifizierte Springer eine Stelle im MHC-Protein, die durch die Einführung einer so genannten Disulfid-Brücke stabilisiert werden konnte, einer chemischen Vernetzung, die die MHC-Proteine stabiler macht. Seine Kollegen an der Technischen Universität Dänemark in Kopenhagen unter der Leitung von Prof. Sine Reker Hadrup fanden dann heraus, dass das stabilisierte MHC-Protein zum Nachweis von T-Zellen in Patientenproben ebenso gut funktioniert wie das alte Reagenz – aber erstaunlicherweise wurde die Produktionszeit von Wochen auf Sekunden verkürzt, da das Peptid nun im letzten Moment der diagnostischen Reaktion hinzugefügt werden konnte. „Wir waren wirklich erstaunt, als wir sahen, wie gut es funktioniert“, sagt Springer. Diese Daten wurden jetzt in Science Immunology publiziert. Springer, Hadrup, zwei weitere Forscher und die Jacobs University Bremen gründeten bereits eine Firma, den Tetramer Shop, um dieses innovative Reagenz herzustellen und zu verkaufen. Das Unternehmen stößt auf großes Interesse von Forschern und Pharmaunternehmen auf der ganzen Welt, die an der T-Zell-Immuntherapie arbeiten.

In ihrer zweiten Innovation, die jetzt auch in der Zeitschrift Science Immunology veröffentlicht wurde, arbeiteten die Jacobs University Forscher mit dem Tübinger Unternehmen Immatics zusammen, das zeigte, dass die Disulfid-stabilisierten MHC-Reagenzien sehr geeignet für die Testung von T-Zell-Rezeptoren sind, die als Reagenzien für die eigentliche Behandlung von Tumoren eingesetzt werden. „Auch hier war es sehr wichtig, dass die MHC-Reagenzien stabil waren und sehr schnell produziert werden konnten. Wir sind sehr erfreut, dass unsere Technologie unterschiedliche Anwendungen hat, und wir sind sicher, dass es noch viele weitere Anwendungen geben wird“, so Springer.

 „Diese Erfindungen zeigen, dass die Jacobs University, basierend auf ihrer Stärke in der Grundlagenforschung, maßgeschneiderte wissenschaftliche Lösungen für Unternehmen entwickeln kann“, so der Präsident der Jacobs University, Michael Hülsmann. „Wir freuen uns darauf, diese Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen weiter zu entwickeln."

Lizenzen für die Disulfid-Stabilisierungs-Technologie für MHC-Proteine sind bei der Firma Tetramer Shop erhältlich.

Quellen:
Andreas Moritz, Raghavendra Anjanappa, Claudia Wagner, Sebastian Bunk, Martin Hofmann, Gabriele Pszolla, Ankur Saikia, Maria Garcia-Alai, Rob Meijers, Hans- Georg Rammensee, Sebastian Springer, and Dominik Maurer:
High-throughput peptide-MHC complex generation and kinetic screenings of TCRs with peptide-receptive HLA-A*02:01 molecules.
Science Immunology, in press (2019)

Sunil Kumar Saini, Tripti Tamhane, Raghavendra Anjanappa, Ankur Saikia, Sofie Ramskov, Marco Donia, Inge Marie Svane, Søren Nyboe Jakobsen, Maria Garcia- Alai, Martin Zacharias, Rob Meijers, Sebastian Springer, and Sine Reker Hadrup:
Empty peptide-receptive MHC class I molecules for efficient detection of antigen-specific T cells
Science Immunology, in press (2019)

Weitere Informationen:
http://springergroup.user.jacobs-university.de
www.tetramer-shop.com

Fragen beantwortet:
Sebastian Springer | Professor für Biochemie und Zellbiologie
s.springer [at] jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3243

 

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1400 Studierenden stammen aus mehr als 100 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

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