Frauen in der Digitalbranche: Der lange Weg der Drishti Maharjan
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Die Würdigung ihrer hervorragenden Leistungen: Drishti (Mitte) erhält den 3. Platz beim Zeiss Women Award. (Quelle: Zeiss Women Award)


05. Januar 2022
 
Natürlich war das ein sehr emotionaler Moment für sie. Schließich war es für Drishti Maharjan nicht nur geographisch ein langer Weg von Nepal auf diese Bühne in Dresden. In ihrer Schule war sie oft das einzige Mädchen gewesen, das Neigungskurse in Naturwissenschaften besuchte. Und jetzt nahm sie den Preis für den 3. Platz beim Zeiss Women Award 2021 entgegen. Einem Wettbewerb, der herausragende weibliche Studierende in Fächern wie Informatik oder Computerwissenschaften auszeichnet.

, Drishti Maharjan hat Computer Science an der Jacobs University studiert. (Quelle: Zeiss Women Award)

Sogar eine Dankesrede hielt sie. „Es war mir wichtig, von meinem Hintergrund zu erzählen. Ich wollte deutlich machen, dass an meiner Stelle auch andere junge Frauen stehen könnten, wenn sie dieselben Chancen und Möglichkeiten bekommen hätten, wie ich sie bekommen habe“, erzählt die 22-Jährige.

Drishti wuchs in Lalitpur auf, einer 225.000 Einwohner-Stadt in der Nähe von Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Ihr Vater starb als sie 13 Jahre alt war, ihre Mutter hat einen einfachen Schulabschluss. Die Familie gehört nicht zu den Reichen des Landes. Stipendien ermöglichten ihr den Besuch einer Privatschule in Nepal und das Studium an der Jacobs University. „Ohne die finanzielle Hilfe der Universität hätte ich nicht in Bremen studieren können.“

Unterstützung erhielt sie auch während ihrer Zeit an der Hochschule, etwa von Peter Zaspel, Professor für Computer Science, bei dem sie ihre mit dem Zeiss Women Award gewürdigte Bachelorarbeit schrieb. Zuvor war sie auf Vorschlag von Zaspel bereits mit dem Deans-Preis ausgezeichnet worden, mit dem die Jacobs University hervorragende Abschlussarbeiten ihrer Studierenden würdigt.

„Drishtis Arbeit hat ein Niveau, das oft nicht einmal in Masterarbeiten erreicht wird“, sagt Zaspel. „Sie öffnet die Tür in ein neues Feld für kommende Arbeiten zu datengetriebenen Methoden in der wissenschaftlichen Visualisierung.“ Dabei geht es um eine Software mit Namen „ParaView“, die Flüssigkeiten wie Blut oder Wasser visualisiert. Drishti führte neue Funktionen in ParaView ein, indem sie maschinelles Lernen in die Software integrierte.

Dass sie einmal eine ausgezeichnete Softwareentwicklerin werden würde, war in ihrer Schulzeit nicht absehbar. „Mathematische und naturwissenschaftliche Fächer haben mir immer Spaß gemacht, aber nicht ausschließlich.“ Sie hat vielseitige Interessen. Eine Besonderheit der Fächerwahl an der Jacobs University kam ihr deshalb entgegen. Um sich auszuprobieren können Studierende in ihrem ersten Jahr drei Fächer belegen. Erst im zweiten Jahr müssen sie sich auf ihr Abschlussfach festlegen. Drishti wählte Business Administration, Global Economics und Computer Science. „Mir war schnell klar: Computer Science ist das, was ich machen will.“

Was an dem Fach so spannend ist? „Nur mithilfe eines Laptops und ein paar Codes etwas Innovatives kreieren zu können, das ist wirklich faszinierend“, findet sie. An der Jacobs University entdeckte sie auch ihre Begeisterung für Hackathons. Das sind Wettbewerbe, in denen die Teilnehmenden innerhalb begrenzter Zeit eine kreative, technische Lösung für ein bestimmtes Problem finden müssen. „Da kommen oft erstaunliche Innovationen zustande“, sagt Drishti. Sie war so angetan, dass sie 2019 mit einigen Kommiliton:innen aus Nepal den ersten internationalen Hackathon ihres Landes auf die Beine stellte, den Everest-Hack. Das Event wurde ein großer Erfolg. Die Hackathon-Kultur wächst mittlerweile auch in Nepal.

Die meisten Teilnehmenden sind Männer, natürlich. „Als Kind wurde mir oft gesagt, bestimmte Fächer sind nur etwas für Jungs“, erinnert sich Drishti. Für Mädchen habe es an Unterstützung gefehlt, es gab auch keine Lehrerinnen in den entsprechenden Fächern, keine weiblichen Vorbilder. „In der Schule war ich in einigen Kursen das einzige Mädchen unter 40 Jungs. Das fühlte sich komisch an.“

Das änderte sich an der Jacobs University, zumindest ein wenig. „Ich war super glücklich als ich in meinen Kursen plötzlich Kommilitoninnen entdeckte.“ Ihre Freundinnen wiesen sie schnell darauf hin, dass auch in Deutschland Männer die mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Fächer dominieren. „Es braucht einfach mehr Unterstützung für Frauen, nicht nur in Nepal, auch hier.“

Vor gut dreieinhalb Jahren, im Sommer 2018, kam Drishti nach Bremen. Sie war 18 Jahre alt, es war ihre erste Reise außerhalb ihres Landes. „Ich war wirklich sehr nervös und wusste nicht, was mich erwartet.“ Die Sprache, die Kultur, das Essen, das Wetter – alles war neu. „Ich wusste nicht einmal wie die Post funktioniert, ich hatte zuvor nie einen Brief bekommen.“

Eines der ersten Dinge, über die sie stolperte, war das deutsche Konzept der Pünktlichkeit. „Auf der Anzeigetafel für den Zug stand: Ankunft, 16:04 Uhr. Komische Zeit, dachte ich. Warum schreiben die nicht 16:00 Uhr? Zu meinem Erstaunen kam der Zug auf die Minute genau“, erinnert sie sich lachend. Sie lebte sich dann doch schnell ein, auch dank der Unterstützung der Jacobs University für Studierende. So gibt es in jeder studentischen Unterkunft auf dem Campus „Resident Mentors“ als Bezugspersonen für die Studierenden. „Dieses System ist ausgesprochen hilfreich.“

Im Mai 2021 beendete sie ihr Studium und arbeitet seitdem als Softwareentwicklerin für Polypoly, ein Start-up, das den Nutzer:innen die Hoheit über ihre Daten zurückgeben will. Derzeit ist Drishti in Nepal, zum ersten Mal seit Beginn ihres Studiums. Sie wird zurückkommen nach Deutschland, soviel ist sicher. Erst einmal möchte sie weitere Berufserfahrung sammeln und dann ihren Master machen. Ihr Weg von Nepal nach Bremen war zwar lang, aber er hat sich gelohnt.  
 
Dieser Text ist Teil der Serie "Faces of Jacobs", in der die Jacobs University Studierende, Alumni, Professor:innen und Mitarbeiter:innen vorstellt. Weitere Folgen sind unter www.jacobs-university.de/faces/de zu finden.

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.600 Studierenden stammen aus mehr als 110 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.

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