Die Mikroben-Versteherin
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,   14. Juni 2016 Es sind spannende Zeiten für Dr. Julia Busch. Ob an den Küsten der Nord- und Ostsee, ob an Weser, Elbe, Saale, Fulda oder Havel – überall werden Bürger am 21. Juni, der Sommersonnenwende, ein kleines Röhrchen mit Wasser füllen. Sie werden ihr Handy zücken und Fotos von der Wasserfarbe machen. Sie werden mit Thermometern die Wassertemperatur messen. All diese Proben, Aufnahmen und Daten werden in Bremen landen, bei der Meereswissenschaftlerin und ihren Kollegen, und sie werden Auskunft geben über den Zustand der deutschen Gewässer.  Dr. Julia Busch arbeitet für den „My Ocean Sampling Day“ (MyOSD), einem Gemeinschaftsprojekt der Jacobs University und des Max-Planck-Institutes für Marine Mikrobiologie in Bremen unter Leitung von Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner. Erstmals in Deutschland sind Hobbywissenschaftler in einem großen Umfang an dem Sammeln von wissenschaftlichen Informationen zum maritimen Ökosystem beteiligt, seit 2014 findet der OSD jährlich statt. Das Ziel ist klar: „Wir wollen den Einfluss des Menschen auf die Flüsse und Küstengewässer dokumentieren“, sagt die 38-Jährige. Dies geschieht mithilfe von Kleinstlebewesen, die einen äußerst zweifelhaften Ruf genießen: Mikroben. „Die meisten Menschen bringen sie mit Krankheiten, Seuchen und Verschmutzungen in Verbindung“, erzählt Dr. Julia Busch. Tatsächlich sind sie die „Guten“. Sie bauen totes biologisches Material ab und führen es dem Nährstoffkreislauf zu. Manche machen sich über Mikroplastik her, andere verspeisen Ölreste. Sie vertilgen Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff. Rund die Hälfte des Sauerstoffs, den der Mensch an Land einatmet, stammt von Mikroorganismen aus dem Meer. Das Projekt „My Ocean Sampling Day“ ist Teil des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane, in dem es um die Ergründung der Gewässer, ihren Schutz und ihre nachhaltige Nutzung geht. Ausgerichtet wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD). In ihrem Team an der Jacobs University und dem Max-Planck-Institut gilt die Bremerin als Mikroben-Versteherin. Schon in ihrer Doktorarbeit hat sie sich mit Kleinstlebewesen beschäftigt, allerdings nicht mit Bakterien, sondern mit gefährlichen Algenblüten in Aquakulturen in Spanien. Das Meer, seine Ruhe, Weite und Vielfalt faszinieren sie, seitdem sie als Jugendliche zum Tauchen kam – und sie kennt es gut. Studien- und Forschungsaufenthalte führten sie an die Küsten Australiens, Mexikos, Perus und Indonesiens. Trotz ihrer gewaltigen Bedeutung für das Leben ist das Wissen über die Verbreitung und Funktion der Mikroben gering, gerade in deutschen Flüssen und Küstengewässern. Der MyOSD soll das ändern helfen. Wie wirken sich Städte oder Industrie auf die Artenvielfalt aus? Wie verändert sich die Gemeinschaft der Mikroben von der Quelle eines Flusses bis zur Mündung? Das sind einige der Fragestellungen, die die Forscher interessieren. Dabei ist Julia Busch die Beteiligung der Bürger besonders wichtig. „Beim Kontakt zwischen Wissenschaftlern, Entscheidern und Bürgern hapert es noch“, findet sie. „Citizen Science“ heißt der Ansatz, der die Bürger stärker einbeziehen will, nicht nur als Lieferanten von Daten. So hat MyOSD eigens einen Fragebogen entwickelt für alle, die mitmachen. „Wir wollen wissen, woran die Leute gerne forschen würden.“ Rund 800 so genannte Sampling Kits für die Probenentnahme hat MyOSD bereits verteilt. Wer sich beeilt, kann noch kurzfristig Mikroorganismen einsammeln. In Forschungseinrichtungen entlang der Küste, von Wilhelmshaven über Bremen, Tönning, Kiel und Warnemünde bis hin nach Stralsund stehen Materialien für die Entnahme zur Abholung bereit oder werden bis zum Mittag des 15. Juni versendet (Liste der Einrichtungen unter: http://www.my-osd.org/mitmachen/hubs). Auch wer dazu keine Gelegenheit hat, kann sich beteiligen – mithilfe zweier kostenloser Apps für Android-Smartphones und iPhones. Die OSD Citizen App dient unter anderem dazu, die Wassertemperatur zu erfassen, die mit einem normalen Haushaltsthermometer gemessen werden kann. Mit der EyeOnWater-Colour App können Fotos von der Wasseroberfläche gemacht und verschickt werden. Die Färbung des Wassers ist Indikator für Stoffeinträge, je grüner das Wasser, desto mehr Mikroalgen enthält es. „Möglichst viele Wasserbilder zu haben wäre toll“, sagt Dr. Julia Busch. „Sie würden uns helfen, das Puzzle, mit dem wir es zu tun haben, zu vervollständigen.“ Weitere Informationen unter:www.my-osd.orgwww.wissenschaftsjahr.de/2016-17/www.mpi-bremen.de/en/Microbial_Genomics_Group.html Fragen beantwortet:Dr. Julia Busch | Postdoctoral Fellow Microbial Genomics and Bioinformatics Groupmyosd-contact [at] microb3.eu |  Tel.: +49 421 2028 - 982