Richtlinie für den Umgang mit sexuellen Belästigungen
Richtlinie für den Umgang mit sexuellen BelästigungenI. Präambel
Geschäftsführung, Betriebsrat und Studentenvertretung sind sich darüber einig, dass sexuelle Übergriffe und Belästigungen eine erhebliche Beeinträchtigung des Betroffenen , seines Persönlichkeitsrechts, seines Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung sowie seines Arbeitsvertrags bzw. des Rechts auf ein ungestörtes Studium bedeuten. Sexuelle Belästigung stört zudem Arbeitsabläufe, beeinträchtigt die Qualität der Arbeits- und Studienergebnisse sowie die Arbeits- und Studienatmosphäre. Es wird verhindert, dass die betroffenen Personen ihre Fähigkeiten einbringen und ihre fachlichen Leistungen und Aufgaben sinnvoll, effektiv und qualitativ hochwertig wahrnehmen können.
In Ergänzung der Regeln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und anderer einschlägiger Gesetze, die an der CU entsprechend Anwendung finden, soll diese Richtlinie helfen, Fälle von sexueller Belästigung vorzubeugen und ggf. gezielt aufzuklären und zu verfolgen, indem
- Betroffene zur Beschwerde ermutigt werden,
- (potentiellen) Tätern klare Grenzen gesetzt und die möglichen Folgen verdeutlicht werden,
- ein Klima gelebt wird, in dem alle Personen auf dem Campus angstfrei und ohne Einschüchterung arbeiten und studieren können.
I. Geltungsbereich
Diese Richtlinie gilt für alle Beschäftigten und Studierenden an der CU. Sie gilt auch für externe Personen, die in das Unternehmen weitgehend integriert sind, wie Praktikanten, Gastwissenschaftler, Hospitanten, Teilnehmer an Schulungen, Promovierende, Stipendiaten, externe Lehrbeauftragte und Lehrkräfte sowie Adjunct Professoren, auch wenn sie im Weiteren nicht explizit genannt werden.
Diese Richtlinie gilt räumlich auf dem gesamten Gelände der CU. Sie gilt ebenfalls auf Dienstreisen und betrieblichen Veranstaltungen.
II. Begriffsbestimmungen
1. Beteiligte im Sinne dieser Richtlinie sind der Beschuldigte und das mutmaßliche Opfer (auch Betroffener genannt).
2. Sexuelle Belästigung im Sinne dieser Richtlinie ist jedes sexuell gefärbte, unerwünschte, verbale oder nonverbale Verhalten, welches bezweckt oder bewirkt, dass sich der Betroffene eingeschüchtert, angefeindet, erniedrigt, beleidigt oder entwürdigt fühlt.
3. Nach dieser Definition gelten insbesondere folgende seitens des Opfers unerwünschte Handlungen als sexuelle Belästigungen:
- aufdringliche oder beleidigende sexuelle Kommentare oder Witze,
- Aufforderungen zu sexuellen Handlungen,
- unangemessene Einladungen zu einer Verabredung,
- anzügliche Blicke und Gesten sowie permanentes Anstarren,
- unsittliches Entblößen,
- Grapschen,
- im Kontext unangemessenes Tätscheln, Streicheln, Kneifen, Umarmen, Küssen bzw. wiederholte körperliche Annäherung in den intimen Abstandsbereich von unter 50 cm,
- verbale Entgleisungen,
- unerwünschte Grenzüberschreitungen im Verhalten,
- unerwünschte Kosenamen,
- Hinterherpfeifen,
- unerwünschte Annäherungsversuche per Brief, E-Mail und/oder anderer elektronischer Medien,
- Zeigen, Zusenden von Texten und Bildern mit pornografischen oder sexuellen Inhalten.
4. Besonders schwerwiegend ist eine sexuelle Belästigung dann, wenn zwischen den Beteiligten ein Abhängigkeitsverhältnis besteht und/oder dem Betroffenen für das Dulden der Handlung eine Belohnung oder das Nichtdulden einer Handlung eine Sanktion in Aussicht gestellt wird.
III. Organe
Die Richtlinie sieht folgende zwei Organe vor:
1. Ansprechpartner / Ombudspersonen
Die CU benennt vier Ansprechpartner, an die sich Betroffene sexueller Belästigungen wenden können. Von den Ansprechpartnern ist mindestens einer weiblich und einer männlich und mindestens einer ein Externer, der nicht mit der CU verbunden ist.
Die Ansprechpartner werden wie folgt bestimmt:
- ein Ansprechpartner durch die Studentenvertretung
- ein Ansprechpartner durch den Betriebsrat
- ein Ansprechpartner durch die Geschäftsführung
- ein externer Ansprechpartner durch den Betriebsrat und die Geschäftsführung
2. Beschwerdestelle
Es wird eine Beschwerdestelle gebildet; diese besteht aus dem Head of Security & Safety sowie drei Mitgliedern, die jeweils von der Geschäftsführung, dem Betriebsrat und der Studentenvertretung entsendet werden, und deren Zusammensetzung derer der internen Ansprechpartner entspricht. Wenn sich die Beschwerde gegen ein Mitglied der Beschwerdestelle richtet, ist dieses Mitglied von der Entscheidung ausgeschlossen. Das entsendende Gremium benennt dann ein Ersatzmitglied.
3. Die Mitglieder der Organe sind zur Vertraulichkeit verpflichtet und in ihrer Tätigkeit nicht weisungsgebunden. Die Universität sorgt dafür, dass die Mitglieder der Organe die entsprechenden Schulungen zur Erfüllung ihrer Aufgabe erhalten; Näheres regeln die Durchführungsbestimmungen. Den Mitgliedern der Organe entstehen durch ihre Organtätigkeit keine Nachteile.
4. Sollte sich die Beschwerde gegen ein Mitglied eines der Organe wenden, ist dieses Mitglied von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen.
IV. Meldung eines Verdachts
Jeder Beschäftigte oder Student an der CU hat das Recht, sich wegen eines Verdachts der sexuellen Belästigung an einen Ansprechpartner zu wenden. Hierfür spielt es keine Rolle, ob der Meldende Betroffener ist oder Dritter, der anderweitig Kenntnis von einem Vorfall erlangt hat.
V. Verfahren
1. Das Verfahren zur Klärung des Verdachts der sexuellen Belästigung umfasst folgende Schritte:
- Meldung bei einem der Ansprechpartner,
- Sachstand an Head of Security & Safety,
- Ansprechpartner nimmt Aussagen auf, fasst den Sachstand schriftlich zusammen und berichtet an die Beschwerdestelle,
- Beschwerdestelle entscheidet.
Bei der Durchführung des Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass zivilrechtliche, arbeitsrechtliche und strafrechtliche Interessen betroffen sein können, deren Geltendmachung Fristen unterliegt. Alle Betroffenen sind von Anfang an darauf hinzuweisen. Daher ist das Verfahren von allen ermittelnden Stellen beschleunigt durchzuführen. Insbesondere ist zu beachten, dass sexuelle Belästigungen einen Grund zur außerordentlichen Kündigung geben können; eine solche ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von dem wichtigen Grund auszusprechen, § 626 BGB.
In Fällen, in denen eine Strafanzeige möglich ist, wird die Beschwerdestelle das Opfer ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinweisen. Die Strafanzeige ist in jedem Stadium des Verfahrens (auch nach Beendigung) weiterhin möglich, soweit das Opfer sich hierzu entscheidet.
Auf Wunsch des potenziellen Opfers ist das universitätsinterne Verfahren jederzeit zu beenden. Es wird sichergestellt, dass dem Meldenden keine beruflichen oder sonstigen Nachteile entstehen.
Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Daher ist das Verfahren vertraulich zu behandeln und alles zu unterlassen, was zu einer Vorverurteilung führen kann. Im Falle falscher Anschuldigungen wird sichergestellt, dass dem Beschuldigten keine beruflichen oder sonstigen Nachteile entstehen.
2. Nach der Meldung eines Verdachts gibt der Ansprechpartner dem Beschuldigten (und bei Meldung durch einen Dritten dem Betroffenen) die Gelegenheit zur Stellungnahme. Dies kann sowohl in schriftlicher als auch mündlicher Form erfolgen.
In geeigneten Fällen lädt der Ansprechpartner die Beteiligten zu einem Gespräch und versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Auf Wunsch können die Beteiligten zu dem Gespräch eine Vertrauensperson (im Bedarfsfall auch einen Anwalt) hinzuziehen.
Nach Eingang der Stellungnahme und Durchführung des Gespräches (fallweise) fertigt der Ansprechpartner einen Bericht an. Die Beteiligten sind entsprechend über die Berichtserstellung zu informieren. Der Bericht wird für die Dauer von drei Jahren ab Ende des Erstellungsjahres bei der Beschwerdestelle, von der Personalakte / Studentenakte separiert, archiviert und anschließend durch ein Mitglied der Beschwerdestelle vernichtet. Zugriff dürfen ausschließlich der Berichtsersteller sowie der Head of Security & Safety nehmen. Jeder Zugriff sowie jede Veränderung des Berichtes sind entsprechend zu protokollieren. Die Beteiligten haben das Recht auf jederzeitige Einsicht. Beide Beteiligten erhalten außerdem eine Kopie des Berichtes.
3. In Fällen, wenn sich einer der Beteiligten einem Gespräch verschließt, oder keine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann, legt der Ansprechpartner seinen Bericht mit einem Lösungsvorschlag der Beschwerdestelle als nächste Instanz vor. Beide Beteiligte können im Bedarfsfall Widerspruch bei der Beschwerdestelle einreichen.
4. Die Beschwerdestelle berät auf der Grundlage des Berichts und kann im Einzelfall Beteiligte und/oder Zeugen anhören. Sie entscheidet über den Fall. Beide Beteiligte erhalten einen Bericht der Beschwerdestelle, in dem diese die Gründe für ihre Entscheidung darlegt.
VI. Sanktionen
1. Kommt die Beschwerdestelle zu dem Ergebnis, dass ein Fall der sexuellen Belästigung vorliegt, hat sie geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten. Diese Maßnahmen sollen verdeutlichen, dass derartige Verhaltensweisen an der CU nicht geduldet werden. Außerdem sollen sie dazu beitragen, ähnliche Ereignisse für die Zukunft zu vermeiden und den Betroffenen zeigen, dass sie sexuelle Belästigungen nicht hinnehmen müssen.
2. Die Maßnahmen für Mitarbeiter und Studenten sind zu unterscheiden.
Bei Mitarbeitern kann es zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen (u.a. Vermerk in der Personalakte, Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, Entzug des Lehrauftrages, Entzug von Personalverantwortung sowie Kündigung) führen.
Bei Studenten und Teilnehmern von Schulungen können sich die Maßnahmen negativ auf ihre Wohn- und Lebensverhältnisse auf dem Campus sowie ihren Studienvertrag bzw. Schulungsvertrag auswirken.
Maßnahmen können insbesondere sein:
- Vermerk in der Studentenakte,
- Ausschluss von einer Lehrveranstaltung oder Schulung,
- Entzug der EDV-Nutzungsberechtigung,
- Hausverbot in den Colleges und/oder den Freizeit-Facilities auf dem Campus,
- Kündigung des Miet- oder Studienvertrages.
VII. Prävention
1. Durch geeignete Präventionsmaßnahmen sollen einerseits Betroffene ermutigt werden, sich zu wehren, Grenzen zu setzen und im Zweifel ein Beschwerdeverfahren in Gang zu setzen. Andererseits soll bei (potentiellen) Tätern ein Gespür dafür geschaffen werden, welche Verhaltensweisen als sexuelle Belästigung empfunden werden können und wie Ablehnung erkannt werden kann, auch wenn sie nicht verbal geäußert wird. Generell soll in der CU ein Klima gelebt werden, dass sexuelle Belästigungen gar nicht erst entstehen lässt.
2. Folgende Präventionsmaßnahmen sind obligatorisch:
- Jeder Beschäftigte und jeder nach Inkrafttreten der Richtlinie immatrikulierte Student erhält und unterschreibt das „Einverständnis zu einer belästigungs- und gewaltfreien Hochschule“.
- An geeigneten Räumen liegen Infobroschüren zu dem Thema aus (z.B. von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes).
- Ein betrieblicher Fortbildungsplan wird durch das Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ ergänzt. Mitarbeiter werden regelmäßig über diesbezügliche Weiterbildungsangebote informiert.
3. Darüber hinaus kommen weiter folgende Maßnahmen in Betracht:
- Organisation von Inhouse-Schulungen,
- Durchführung einer Themenwoche mit entsprechenden Vorlesungsschwerpunkten,
- Mit Hilfe eines Fragebogens zum Thema „Sexuelle Belästigung“ kann ermittelt wer-den, inwieweit Mitarbeiter und Studenten von dem Thema betroffen sind.
VIII. Inkrafttreten
Die Richtlinie für den Umgang mit sexuellen Belästigungen an der Constructor University Bremen tritt mit Aushang der Richtlinie und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen in Kraft. Die Durchführungsbestimmungen werden von der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat gemeinsam beschlossen.
Bremen, Oktober 2019