Zeitzeugen gesucht: Jacobs University plant Ausstellung zur Geschichte des Standorts
17. März 2021
Unterkunft eines Flakregiments im Dritten Reich, Lager für „Displaced Persons“, Bundeswehrkaserne, Universitätsgelände – die Geschichte des Standorts der heutigen Jacobs University in Bremen-Grohn ist wechselvoll. Eine Lehrveranstaltung unter Leitung des Historikers Dr. Rüdiger Ritter will sie sichtbar machen – als Hybrides Nachbarschaftsmuseum. Das Vorhaben ist Teil des „Community Impact Projects“, eines integralen Bestandteils des Studiums an der Jacobs University, in dessen Rahmen die Studierenden ihr Fachwissen zugunsten der Region Bremen einsetzen und gleichzeitig praktische Erfahrungen sammeln. Unterstützt wird das Community Impact Project von der Jacobs Foundation und der Wolfgang-Ritter-Stiftung.
, Hybrides Nachbarschaftsmuseum: Als Teil des Community Impact Projects will der Historiker Dr. Rüdiger Ritter die Standortgeschichte der heutigen Jacobs University sichtbar machen. (Quelle: Jacobs University)Uns geht es nicht nur um die Baugeschichte, wir wollen auch die Verbindung zu den Nachbarinnen und Nachbarn in der jeweiligen Phase dokumentieren“, sagt Ritter. Der Historiker bietet in diesem und im kommenden Semester jeweils eine Lehrveranstaltung zur Geschichte des Standortes an. Im Rahmen dieser Veranstaltungen wird mithilfe der Studierenden der Jacobs University die Geschichte des 34 Hektar großen Geländes aufgearbeitet.
Genügend Stoff für spannende Geschichten bietet der Standort der heutigen Jacobs University allemal: So hat es dort in der Nachkriegszeit etwa einen regen Schwarzhandel zwischen den Bewohner:innen des Lagers und den Nachbar:innen gegeben. In „Camp Grohn“, wie es damals hieß, lebten bis zu 5000 Displaced Persons – ehemalige Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter oder KZ-Insassen des NS-Regimes, die hier auf ihre Auswanderung oder Rückführung in ihre Heimatländer warteten. Das Camp, betrieben von einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, war eines der größten seiner Art in den westlichen Besatzungszonen.
Errichtet wurden die Backsteingebäude Mitte der 1930er Jahre. 1938 zogen die ersten Soldaten des Flakregiments 26 ein, die Norddeutschland vor den Luftangriffen der Alliierten schützen sollten. Einer der prominentesten Soldaten war Helmut Schmidt. In seiner Rede zur Gründung der Universität erinnerte der ehemalige Bundeskanzler an diese Zeit. Auf die Wehrmacht folgten 1945 für kurze Zeit die Amerikaner, auf die Flüchtlinge die Soldaten der Bundeswehr, die den Standort 1955 übernahm und als Kaserne nutzten. Und 2001 schließlich zogen die ersten Studierenden in Gebäude ein, die zuvor entsprechend umgebaut wurden.
„Wir haben schon einiges an Material zusammengetragen. Aber es würde mich freuen, wenn wir durch die Unterstützung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen noch stärker die Verzahnungen und Querverbindungen mit dem umliegenden Ort aufzeigen können“, sagt Ritter. Das könnte etwa mittels Fotografien, Dokumenten oder Tagebucheintragungen geschehen.
Die spätere Ausstellung kombiniert virtuelle und analoge Elemente. Die Studierenden erhalten gezielte Rechercheaufträge und erstellen Infopunkte in Form von digitalen Stolpersteinen – per Smartphone abrufbare Informationen zu einzelnen Gebäuden, Gebäudeteilen oder auch Ereignissen. „Das kann zum Beispiel ein Augenzeugenbericht von einer ehemaligen Displaced Person sein“, meint Ritter. Neben der digitalen Aufarbeitung ist eine permanente Ausstellung über die Historie geplant, die im Dezember 2021 in einem Raum auf dem Campus der Jacobs University eröffnet werden soll. Wie die Ausstellung aussehen soll, ist noch völlig offen: „Das entsprechende Konzept werden die Studierenden im Laufe der Lehrveranstaltung selbst entwickeln“, erklärt Ritter.
, Das Community Impact Project wurde von Dr. Jakob Fruchtmann, Soziologe an der Jacobs University, initiiert. (Quelle: Dr. Jakob Fruchtmann)Eingebettet sind die beiden Lehrveranstaltungen in das Community Impact Project. Das Projekt wurde von Dr. Jakob Fruchtmann, Soziologe an der Jacobs University, initiiert und wird von der Wolfgang-Ritter-Stiftung und der Jacobs Foundation unterstützt. Die Studierenden, so die Grundidee, bringen – als verpflichtender Bestandteil ihres Studiums – im 5. Semester bei Schulen, Vereinen, Initiativen oder Behörden aus der Region Bremen ihr Fachwissen ein und sammeln gleichzeitig Erfahrungen in der praktischen Umsetzung. Die im Rahmen der Lehrveranstaltungen von Ritter gesammelten Informationen werden so beispielsweise die Schaffung eines Hybriden Nachbarschaftsmuseums möglich machen, das die Geschichte des Campus visualisieren soll. Ein Projekt, das sowohl für die Universität als auch für die Bremer Bürger:innen sinnvoll und von Interesse ist.
Fragen beantwortet:
PD Dr. hab. Rüdiger Ritter
Historiker, Lehrbeauftragter an der Jacobs University
Tel: + 0152 27564916
Email: RRitter [at] gmx.de
Weitere Informationen:
https://www.jacobs-university.de/news/125-stunden-fur-bremen-leistungspunkte-fur-das-studium
https://www.jacobs-university.de/community-impact-project-cip
Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.500 Studierenden stammen aus mehr als 110 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
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